Atmung – Mehr als nur Luft holen – Yoga Spirit Podcast #3
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Der Atem ist das fundamentale Verlangen aller Lebewesen. Das Leben beginnt mit dem 1. Schrei und somit dem 1. Atemzug. Sauerstoff ist lebensnotwendig. 10.000L Luft atmen wir tgl. ein und aus. Das sind 20.000 Atemzüge pro Tag. Unfassbar also das der Weltrekord des Apnoetauchers Budimir Sobat bei 24 Min 33Sek liegt.
Wie funktioniert die Atmung überhaupt? Als Einatmung wird der Vorgang bezeichnet, in dem wir mit dem Einatmen Luft in die Lunge aufnehmen, mit dem Ausatmen die verbrauchte Luft (CO2) aus der Lunge wieder ausstoßen. Die Nasenlöcher atmen halbtags. Eine Nasenmuschel schwillt an und pausiert während die andere arbeitet. Das ist der sogenannte Nasenzyklus. Durch die Einatmung kann Sauerstoff über die Blutbahn zu Geweben und Zellen transportiert werden, wo es zur Energiegewinnung benötigt wird. CO2 bildet das Abfallprodukt des Stoffwechsels, das während der Energiegewinnung entsteht. Die Atmung als Aufnahme von Sauerstoff und Abgabe von Kohlendioxid ist die Grundlage für das Funktionieren aller Zellen des menschlichen Organismus. Die Konzentration von Sauerstoff und Kohlendioxid gerät durch die Atmung somit nicht aus dem Gleichgewicht, auch das Säure-Basen-Gleichgewicht des Blutes bleibt konstant. Die Lungenbläschen sind traubenförmig angeordnet. Hauchdünne Membran filtern den Sauerstoff, der in die Blutgefäße aufgenommen wird. Viren und Staub werden von den Membranen gefiltert. Insbesondere diese dünne Membrane sind sehr wichtig für den Sauerstoffaustausch. Sie sind 40x größer als die menschliche Körperoberfläche. Die Lunge ist das einzige innere Organ das mit der Außenwelt stets in Verbindung steht. Sie stellt die Verbindung zur Natur her. Wie unterscheidet die Lunge zwischen gefährlichen und ungefährlichen Stoffen? Abwehrzellen, Immunzellen und Fresszellen mit Tentakeln nehmen die Fremdkörper auf und regulieren die Immunantwort anderer Zellen. Dies ist ein empfindliches System. Kommt es zu Entzündungen führt dies zu Atemnot. So beispielsweise auch bei einer Coronainfektion.
Abgase und Feinstaub machen das Arbeiten für die Lunge jedoch schwer. Waldluft hingegen ist besonders sauber. Sie enthält 90% weniger Staubluft als Stadtluft. Eine Buche setzt zum Beispiel 4,6 Tonnen Sauerstoff pro Jahr frei. Das reicht für einen Menschen 13 Jahre lang durchzuatmen. Doch Atmung ist mehr. Atmen bedeutet auch Gerüche wahrnehmen und an das Gehirn weiterzuleiten. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Atem in Verbindung mit Bewegung im Wald für eine Senkung des Blutdrucks und der Herzfrequenz sorgt. Die ätherischen Öle aus Nadeln und Blättern wirken sich positiv auf die Lunge, das Herz-Kreislaufsystem und das Gehirn aus. Tiefes, ruhiges Einatmen aktiviert den Parasympathikus im Gehirn, der für Erholung und Regeneration steht. Waldbaden in Verbindung mit Qigong sorgt nicht nur für Erholung, sondern schult auch die Achtsamkeit. Ein mehrtägiger Aufenthalt im Wald erhöht die Anzahl der eigenen Killerzellen um 50%. Dieser Effekt kann bis zu 7 Tage anhalten. Eingeatmete Waldterpene stärken die Immunfunktion, sodass Krebstumorzellen nachweislich durch die Stärkung der Killerzellen bekämpft beziehungsweise verdrängt werden können. Natürlich ersetzt dies keine ärztliche und medizinische Behandlung. Es macht deutlich, das Atemtechniken also nicht nur ein nice to have sind, sondern auch aus biologischer Sicht die Zellen beeinflussen.
Die Atmung ist selbst beeinfluss- und steuerbar und außerdem auch eng mit unserem Nervensystem und unseren Emotionen verbunden, z.B. steht bei verängstigen Menschen in akuten Situationen der Atem still oder wird sehr flach. Bei einer Emailapnoe werden durch die negativen Nachrichten dem Gehirn stets Stresssignal gesendet. Das lässt den Atem stocken und sorgt wiederum dafür das man die Schultern nach oben zieht, die Muskulatur verkrampft, beim Sitzen der Brustkorb zusammenfällt und der Bauch eingezogen wird. Das wiederrum sorgt für eine flache Brustatmung. Also wird nur noch obere und mittlere Drittel des Brustkorbes durchlüftet. Ein weiteres Beispiel: Sänger schulen ihre Atmung, um die Stimme effektiv und schonend einsetzen zu können. Aufgrund der Corona-Pandemie helfen Opernsängern in der aktuellen Situation in Zusammenarbeit mit Ärzten sogar Corona-Erkrankten, ihr gestörtes Atmungsmuster zu verbessern, um die komplette Lungenkapazität nutzen zu können (Hier ist anzumerken, dass es sich nicht um Intensivpatienten, sondern um Erkrankte mit einem milderen Verlauf handelt). Ist das Gehirn nicht mit genügend Sauerstoff versorgt, bekommen Covid-Patienten schneller Panikattacken.
Durch eine Dauerbelastung wird der Hormonhaushalt durcheinandergewirbelt. Botenstoffe, die notwendig sind für eine Balance, werden nicht immer zur Verfügung gestellt. Stresshormone Adrenalin und Cortison durchströmen den Körper, wodurch der Blutdruck steigt und die Herzfrequenz sich erhöht. Eine Stoßatmung und ein falsches Atemmuster sind die Folge. Erkrankungen wie Depressionen sind von solchen Mustern oft begleitet. Das Zwergfell ist der wichtigste Atemmuskel deshalb spielt auch die Bauchatmung für eine positive Beeinflussung des Nervensystems eine wichtige Rolle. Insbesondere ein verlängerter Ausatem ist sehr wichtig. Er sollte mindestens ½ x so lang wie die Einatmung sein. Das ist etwa die Hälfte der normalen Atmung und gaukelt dem Körper das Schlafen vor. Dadurch wird die Herztätigkeit bei der Ausatmung entlastet. Dies nennt sich die 4 zu 6 Atemtechnik.
Dies verdeutlicht, welch wichtige Rolle Atemtechniken spielen. Auch im Yoga werden verschiedene Atemtechniken trainiert, auf die hier näher eingegangen werden soll. Allerdings führt Yoga nicht dazu, dass mehr Sauerstoff aufgenommen, sondern nur das mehr Kohlendioxid abgeatmet werden kann (es wird von gesunden Menschen mit einer Sauerstoffsättigung von 98% ausgegangen (Normalwert)).
Mithilfe bestimmter Atemtechniken können akute Angstsymptome umgehend gelindert werden.
Die wichtigsten Atemtechniken, um Ängste mit sofortigem Effekt zu lindern
„Prana“ kommt aus dem Sanskrit und heißt „Lebensatem, Lebensenergie“. „Ayama“ heißt „Ausdehnung“. Auch Pranayama ist, wie auch die Asanas, eine Stufe des achtgliedrigen-Yogapfades. Die Kontrolle des Atems stellt die 4. Stufe dar und soll Körper und Geist miteinander verbinden. Es gibt verschiedene Atemtechniken mit unterschiedlichen Wirkungen. In dieser Arbeit wird sich nur auf die wichtigsten Atemtechniken konzentriert, die sich insbesondere für die schnelle Linderung von Ängsten eignen, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen. Fingerkuppenatmung und auch die Bienensummatmung eigenen sich, um Klarheit oder auch Beruhigung, also langfristig Resilienz hervorzurufen. Allerdings eignen sie sich weniger, um sie bei akuten Situationen anzuwenden.
Wechselatmung (Nadhi Sodhana)
Diese Atmung wird auch Reinigungsatmung genannt (siehe Abbildung 1 Nadhi Sodhana). Sie erhöht effektiv den Sauerstoffgehalt im Körper. Dadurch fühlen wir uns lebendiger und wacher, da Körper und Geist aktiviert werden. Trägheit, und Antriebslosigkeit nehmen ab. Bei der Mondatmung, wird gleichermaßen verfahren, mit dem Unterschied, das Luftanhaltenphasen zwischen der Ein- und Ausatmung hinzugefügt werden. Auf diese Weise entsteht die Wirkung der Beruhigung und Ruhe.
Man sollte bei dieser Atemtechnik, die im aufrechten Sitzen durchgeführt wird, bewusst tief ein- und ausatmen mit Hilfe des Vishnu Mudras (siehe Abbildung 2 Vishnu Mudra). Das linke Nasenloch wird mit dem Ringfinger der rechten Hand verschlossen und durch das rechte Nasenloch langsam eingeatmet (siehe Abbildung 1 Nadhi Sodhana). Nach der Einatmung wird das rechte Nasenloch mit dem Daumen verschlossen, das linke Nasenloch geöffnet und über links ausgeatmet. Es sollte immer nur über links eingeatmet werden. Bei der Mondatmung über rechts. Die Nase sollte nicht verbogen werden, da der Druck zum Verschließen eher sanft erfolgt.
Zur Dauer: Es sollte etwa 4 Sek. eingeatmet und auf 8 Sek. ausgeatmet werden (4:8). Hier wird länger aus als eingeatmet. Der Effekte der Beruhigung kann verstärkt werden in dem 4 Sek. eingeatmet, 4 Sek. die Luft angehalten, und 8 Sek. ausgeatmet wird (4:4:8) Die Phase des Luftanhaltens kann nach und nach gesteigert werden. 4: 8: 8, 4: 12: 8 oder 4: 16: 8. Außerdem ist es hilfreich sich vorzustellen, wie sich die jeweilige Körperhälfte bei der Ausatmung entspannt. Bei Schwindel sollte auf das Luftanhalten verzichtet werden. Dieser stetige Atemwechsel wirkt sich stark ausgleichend auf unser Gehirn und unser vegetatives Nervensystem aus. Es senkt den inneren Tonus, was bei Ängsten, Nervosität, und Bluthochdruck einen schnellen Effekt erzielt.
Siegreicher Atem (Ujjayi Pranayama)
„ud“ bedeutet „aufwärts, nach außen“ und „Jaya“ bedeutet „Eroberung, Erfolg“. Bei dieser Atemtechnik verengt man beim Ein- und Ausatmen aktiv die Stimmritze. Durch den Atemwiderstand entstehen Zischlaute. Es ist eine intensive Atemform, die uns zurückbringt zu uns und unseren Emotionen. Durch diese Technik können wir genau spüren, in welcher geistigen, emotionalen, aber auch körperlichen Verfassung wir uns gerade befinden. Die Ausatmung wird automatisch vertieft, was wiederum dafür sorgt, dass das Nervensystem beruhigt wird. Durch diese Atemtechnik nimmt die CO2-Konzentration um bis zu 50 Prozent zu. Dadurch erweitern sich die Hirngefäße, wodurch mehr Sauerstoff in den Körper gelangen kann.
Die korrekte Ausführung der Technik erfordert große Konzentration auf den Atemvorgang. Längere Phasen dieser Atmung mildern Ängste und Stress. Die dabei entstehenden Rauschgeräusche, insbesondere die Konzentration auf das Geräusch, bringt sogar in extremen Situationen Ruhe und Linderung. Diese Atemtechnik stärkt die Schaltkreise im Gehirn, die für Bewusstheit, Planung und Kontrolle zuständig sind. Wir verspüren mehr Vertrauen, neue Energie und Stabilität. Es stellt sich ein Gefühl der Tiefenentspannung ein. Alle Sinne konzentrieren sich auf die Atemtechnik. Bei geschlossenen Augen ist der visuelle Sinn abgeschaltet. Bei Ablenkung wird die Aufmerksamkeit sanft zurück zum Atem geführt.
Ujjayi kann im Schneidersitz oder Lotossitz für eine bestimmte Zeitspanne, oder auch während der gesamten Yogastunde bei der Ausübung der Asanas praktiziert werden. Da sie auch im Sitzen praktiziert werden kann, lässt sie sich ideal im Alltag z.B. auch im Berufsalltag integrieren. Man kann bei Angstzuständen den Effekt dieser Atemtechnik verstärken, indem man weitere Faktoren beachtet:
- Die Länge bei der Ein- und Ausatmung sollte gleich sein.
- Die Ein- und Ausatmung hört sich gleich an.
- Das Volumen der bewegten Luftmenge bei der Ein- und Ausatmung ähnelt sich.
- Die bewegte Luftmenge sollte sanft und regelmäßig fließen.
4-7-8 Atmung
Sie hilft bei Unruhe, Ängsten und Schlafproblemen. Sie mindert Ängste und mildert Panikattacken und wird wie folgt durchgeführt:
- Atme tief ein und wieder aus, damit die Lungen sich vollkommen leeren.
- Atme nur durch die Nase und zähle bis 4.
- Halte die Luft an und zähle bis 7.
- Atme mit geöffnetem Mund tief und gerne geräuschvoll aus. Zähle dabei bis 8.
Es wird empfohlen, die Atemübung abends und morgens vier Mal zu wiederholen, um den Körper daran zu gewöhnen. Die Wirkung der Methode tritt umgehend ein, da sich Herzfrequenz und Blutdruck senken. Daher sollte sie vor allem regelmäßig durchgeführt werden, da so der Rhythmus verinnerlicht werden kann, um sie schließlich in stressigen oder ängstlichen/triggernden Situationen als Werkzeug nutzen zu können.
Atempause (Kumbhaka)
Der bewusste Einsatz von Atempausen kann das vegetative Nervensystem beeinflussen. Zum einen können Atempausen bei gefüllter Lunge praktiziert werden, sodass die Luft in der Lunge gehalten wird. Zum anderen kann die Luft angehalten werden, nachdem ausgeatmet wurde und die Lunge geleert ist. Sie haben entgegengesetzte Wirkungen (siehe Wechselatmung (Nadhi Sodhana)). Atmet man tief ein und hält die Luft in den Lungen, aktiviert dies das sympathische Nervensystem. Der Blutdruck steigt und man ist angeregt und fühlt sich wach. Wird nach der Ausatmung jedoch die Luft angehalten, sinkt der Blutdruck, der Vagusnerv und der Parasympathikus wird aktiv. Wird abwechselnd diese Form des Kumbhaka praktiziert, entsteht ein Gleichgewicht im vegetativen Nervensystem. Regelmäßige Praxis fördert die Emotionskontrolle und Emotionsregulation.
„Sich des Atems bewusst zu werden ist eine Möglichkeit, im gegenwärtigen Augenblick anzukommen.“