Ein Selbstversuch: 3 Tage nur Stille, Yoga und Meditation. Wie ich auf die Idee kam und was mir diese Zeit gegeben hat. – Yoga Spirit Podcast #2
Podcast: Play in new window | Download (Duration: 29:24 — 18.9MB)
Abonnieren Apple Podcasts | Spotify | Amazon Music | RSS
Wie ich auf die Idee kam in die Stille zu gehen
Ich liebe es laute Musik zu hören, Inlinern mit Musik zu unterstützen macht mehr Spaß und nur einen Ohrstöpsel zu tragen, um den eventuellen Verkehr hier in der abgeschiedenen ländlichen Umgebung hören zu können, nervt 😉. Meine Favoriten sind Musicals und Rockkonzerte, Opernbesuche sind bei mir auch drin (alles jedoch mit speziellen Ohrstöpseln und weit weg von den Lautsprechern). Es macht einen Riesenspaß, aber ich bin danach jedes Mal erschöpft und brauche Ruhe. Ich unterhalte mich gerne und lange, treffe Freunde in kleinen Gruppen und lache laut, wenn die Stimmung es hergibt. Trotzdem habe ich – anders als die Mehrheit der Leute – ein sehr großes Bedürfnis nach Ruhe.
Gerade in meinem Beruf als Lehrerin erfahre ich den gesamten Vormittag alles andere als Stille. Im Unterricht rede entweder ich oder die Schüler, dauerhafte Gespräche während Gruppenarbeiten, Unterrichtsstörungen, Bearbeitungsgeräusche mit Werkzeugen, Stundenzeichen, Durchsagen, Lärm in den Pausenzeiten, die Gespräche von vielen Kollegen untereinander in den Pausen, die akustischen Bedingungen der Räumlichkeiten an Schulen sind häufig unzureichend, sodass ein großer Hall erzeugt wird und, und, und. Als Lehrer bin ich einer Dauerbeschallung ausgesetzt. An vielen Schulen ist die Belastung zwischen 60-80 Dezibel. Das entspricht dem Geräusch eines fahrenden LKWs. Erkrankungen, wie Tinnitus und Stimmbänderentzündungen sind typisch in diesem Beruf, wie ich selbst leidvoll mehrfach erfahren musste. Um die Stimme zu schonen antworte ich im Job häufiger mal mit Hilfe der Mimik und Gestik, auch die Atemtechnik spielt eine wichtige Rolle, wie auch bei Sänger*innen. Außerdem ist mir bewusst geworden: die Leute möchten, dass man in Gesprächen umgehend antwortet, weil kurze Gesprächspausen oder Bedenkzeiten oft als irritierend empfunden werden. Dabei stresst sofortiges Reagieren noch mehr.
Als Lehrerin bin ich es gewohnt am Nachmittag alleine von zu Hause aus zu arbeiten. Nun könnte man denken. Da ist sie – die Ruhe und die Stille. Trotzdem mache ich mal ein wenig klassische Musik an, weil es bekanntlich die Konzentration erhöht (entscheide mich doch immer mal für Filmmusik oder Ludovico Einaudi 😉) oder lasse etwas leise im Hintergrund im TV brabbeln, spreche hin und wieder mit meinen Hunden und der ein oder andere Kommentar mir selbst gegenüber fällt doch mal, wenn es mal wieder nicht klappt. Im Internet recherchieren mit vielen offenen Tabs gleichzeitig, Youtube-Videos für Erklärungen, Sprachtexte für den Englischunterricht usw. alles an der Tagesordnung. Im privaten Bereich gehören Sprachnachrichten per Whatsapp zum Austausch mit Freunden dazu und bei der Hausarbeit läuft Musik oder ein Hörbuch. Auf dem Land ist das ruhige Sitzen im Garten nicht selten durch Rasenmäher oder andere Gerätschaften gestört. Wenn mein Mann zu Hause ist, wird sich über den Tag ausgetauscht. Mir wird am Feierabend oft deutlich, dass ich einfach erschöpft vom Lärm oder Reden bin. Zuviel Lärm sorgt bei mir für Unkonzentriertheit, Hektik und Stress. Ich habe oft das Gefühl, dass ich gehetzt bin und auch Missverständnisse, Vergesslichkeit und Fehler sind eher an der Tagesordnung. Vielleicht geht es dir genauso?
Das zeigt, wie sehr mich diese Thematik beschäftigt. Ich meditiere regelmäßig, weil es mir guttut. Ich profitiere sogar so sehr davon, dass ich eine Meditationsleiterausbildung im März 2021 für meine Persönlichkeitsentwicklung abgeschlossen habe. Doch besonders durch diese Intensivierung der Praxis und der Theorie, habe ich meine Tagesabläufe genauer angeschaut. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich kaum Stille in meinem Alltag erfahre, ich habe zwar Ruhephasen, die ich mir bewusst schaffe, aber ich möchte mich einmal komplett freimachen, von dem Lärm. Wie ein weißes ungeschriebenes Blatt sozusagen starten, um achtsamer zu werden und noch mehr Stille im Alltag zu integrieren, was zu einer weiteren Stressreduktion führen und in einer besseren Work-Life-Balance münden soll. Also habe ich mich ganz bewusst auf eine sehr intensive Zeit eingestellt.
In den Startlöchern für meinen Eigenversuch
Ich habe mich gefragt, ob ich mich dauerhaft im Wald aufhalten oder ein Kloster aufsuchen muss, um Stille zu erfahren? Ich möchte Stille, Ruhe und Achtsamkeit intensiver erfahren, bewusster erleben und regelmäßig in meinen Alltag integrieren. Einfach mal diesen Dauerlärm bewusst wahrnehmen und auch achtsamer gegenüber sein. Schließlich haben wir nicht stets die Möglichkeit Urlaub zu nehmen oder in ein Kloster einzukehren, wenn man merkt, dass dringend der Stress reduziert werden sollte.
Also habe ich mir einen Plan gemacht. Ich habe mir gedacht: du kennst es schon durch den Berufsalltag, dass es zu Hause still ist. Ich finde mich bereits trainiert bzgl. Meditationen nach fast 3,5 Jahren Praxis. Ich möchte meinen Tag mit Mediationen, die länger und intensiver sind beginnen. Yoga sollte mich im Laufe des Tages begleiten, und zum Thema meditatives Malen habe ich mir einige Praxisdinge zusammengesucht. Das Journaling war mir ebenfalls wichtig, um die Erfahrungen festzuhalten und weiterzugeben. Verzicht auf Medien, das gehört für mich dazu, um mehr zu mir selbst zu finden.
So der Plan und jetzt die Realität. Es kommt dann doch schnell der Gedanke auf: Was habe ich mir nur bloß dabei gedacht? In einer Pandemie, in der wir uns sowieso schon einschränken müssen. Man kann nicht mehr, wie üblich, Einkäufe erledigen, seinen Job oder Treffen ohne AHA-Regeln nachgehen, Sport nur daheim betreiben und Kontaktbeschränkungen auch im privaten Bereich sind schon Teil des Alltags geworden. Alles muss sorgfältig organisiert werden. Sorgenfrei im In- oder Ausland Urlaub machen ist aktuell weit in die Ferne gerückt und eher ein Luxusproblem. Die Welt ist ein Stück weit stillgelegt, denn Verzicht rettet Menschenleben und ist unumgänglich. Ängste und Themen, wie Jobverlust, die Coronazahlen und eher schleppende Impfungen sind mittlerweile bei jedem fester Bestandteil des Alltags geworden. Trotzdem möchte ich mich noch einmal stärker herausfordern, weil diese Zeit es mir mehr denn je ermöglicht wirklich zu mir selbst, zu meiner inneren Ruhe und Stille zu finden. Ich möchte also aus dem Negativen, wie Lockdowns und den fehlenden Ortswechsel durch Homeoffice, etwas Positives für mich ziehen, um meine eigene Balance, meinen Stress und meine Ängste einmal loslassen zu können.
Ich hatte mir es doch leichter vorgestellt. Insbesondere der erste Tag war die größte Herausforderung für mich. Ich habe hier die größte Frustration und auch Wut verspürt und wurde unerwartet von der Tatsache getroffen, dass Stille nun einmal abstrakt ist und sie mich anfangs doch eher überrollt hat. Das Gehör verändert sich schnell und man hört kleine Geräusche. Trotz unserer Dreifachverglasung und der eher ruhigen und ländlichen Umgebung hat man im Haus auch die Geräusche von außen wahrgenommen. Gespräche oder Verkehr, Gartenarbeiten, Vogelgezwitscher, alles. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Mir ist aber auch aufgefallen, wie laut es doch manchmal in meinem Haus allein durch Geräte ist. Jedes Teil piept oder summt etc. Ich habe auch unterschätzt, dass mich die Unruhe eingeholt hat, als ich mich nun einmal nicht so mitteilen konnte in alltäglichen Dingen, wie ich es mir gewünscht hätte. Schweigen ist halt am besten möglich durch Kommunikationsverzicht.
Der Verzicht auf Medien ist mir anfangs natürlich nur teilweise gelungen, weil ich mich überhaupt erst einmal an die Situation und die Stille selbst gewöhnen musste. Ständige Pantomime und klopfen etc. wurde schnell zu anstrengend, sodass klar war: Mein Mann und ich sollten unsere jeweilige Tagesplanung für sich verfolgen. Ich habe mich vor lauter Unruhe erst einmal an Haushaltsdinge gemacht. Anders als erwartet konnte ich nicht direkt meditieren. Ich musste die Stille zeitweise auch mit einem Hörbuch unterbrechen. Da wurde mir klar: Diese Form der Entschleunigung sollte ich einfach etwas langsamer angehen. Mein Kopf, mein Geist waren gut auf meine Alltagsmuster abgestimmt und brauchten etwas mehr Umstellungszeit. Immerhin wollte ich durchhalten und habe mir dann doch Kleinigkeiten gegönnt, um nicht abzubrechen. Mein Gedanken verhielten sich wie Affen und spielten völlig verrückt. Plötzlich fielen mir ganz alte Dinge, sogar aus der Kindheit ein oder Dinge, die ich schon länger auf meiner To-Do-List hatte. Ich überlegte erst diese ganzen Kleinigkeiten doch noch schnell zu erledigen, entschied mich dann doch dagegen, um meine Stilletage nicht selbst zu sabortieren. Der einzige Weg: mir bewusst über den jetzigen Zustand zu werden und die Situation einfach annehmen, wie sie ist. Meine Erwartungen über Bord werden. Als ich das innerlich akzeptiert hatte, konnte ich mich auch auf meine Pläne einlassen. So bin ich mit einer kleinen Meditation für mich eingestiegen und hab etwas zum Thema Stille gelesen.
Ich konnte dann am 2.Tag merken, dass ich mich besser auf den gesamten Tag einlassen konnte. Ich habe mich darauf gefreut den Tag frei gestalten zu können. An diesem Tag wurden mir meine Zeitfresser bewusst. WhatsApp, Social Media, aber auch immer wieder kleine Artikel lesen. Mir wurde schnell klar, dass ich im Alltag extrem auf die Zeit achte, weshalb ich es in meinem Selbstversuch mal bewusst unterlassen habe. Ich hatte kein Bedürfnis viel zu reden oder immer wieder Nachrichten etc. zu checken. Im Gegenteil, ich war sogar erleichtert, dass ich das nicht gemacht habe.
Mein Weg zu einer besseren Work-Life-Balance
Mir ist bewusst geworden, wie gerne ich Journaling betreibe, und dass es mir Raum bietet den Tag und meine Gedanken zu reflektieren. Das hilft mir sehr Gedankengänge abzuschließen, das Gedankenkarussel zu stoppen und Raum für neue kreative Ideen zu schaffen. Für mich und vielleicht auch für dich sind die kreisenden Gedanken ein enormer Stressor. Das Journaling entpuppt sich für mich absolut als Gewinn, den ich auch in meinem Alltag weiterführen möchte. Ich selbst werde mit so einen Planer besorgen, der vorstrukturiert ist, bei dem man Dankbarkeit für Dinge aufschreiben und den Tag Revue passieren lassen kann. Ich habe für mich einen passenden Planer „Ein guter Plan“ gefunden. Dadurch wird die Zeit begrenzt, was wiederum dafür sorgt, dass ich es auch sinnvoll in meinem Alltag einbinden kann, ohne es aufgrund von zu hohem Aufwand wieder aufgeben zu müssen.
Ich habe mich mehrfach mit einer Achtsamkeitsmeditationen zurück ins Hier und Jetzt geholt. Bewusste und ausgiebige Stille Phasen mit meinen Hunden sind Balsam für die Seele und sollen ebenfalls stärker im Vormittag integriert werden. Das meditative Malen habe ich ebenfalls für mich getestet, was in gewisser Weise Neuland für mich war. Ich habe mich bewusst für Aquarellmalen entschieden, um Kontrolle abgeben und loslassen zu können. Ebenfalls etwas, was mich in einen Flow bringt und total entschleunigt. Auch das ist so ein Seelenstreichler, den ich mir an stressigen Tagen gönnen möchte, wenn auch nur einen kurzen Zeitraum. Das ist für mich sinnvoller, als den Fernseher einzuschalten und sich berieseln zu lassen, wenn man denkt, dass man vom Tag zu erschöpft ist. Aber manchmal siegt dann doch die Bequemlichkeit. Da kann ich nur raten: Druck rausnehmen und einfach mal schauen, was die Intuition sagt. Oft fängt man auch eher an, wenn die Dinge griffbereit liegen.
Außerdem habe ich mir an den Versuchstagen über positive Glaubenssätze gesagt, die in mir ein behagliches Gefühl auslösen und mich positiv stimmen. Vielleicht nicht für jedermann etwas: Aber ich verbringe viel Zeit in meinem Kopf und ich möchte liebevoll und weniger streng mit mir sein. Immerhin rede ich auch nicht so streng mit meinen Freunden. Deshalb ist das für mich eine gute Stütze. Ich habe kleine Bücher mit wunderbaren Zitaten und Sprüchen. Eine Affirmation zu Beginn des Tages zu lesen, statt direkt die Nachrichten im Handy zu checken sind für mich wesentlich wertvoller. Das war wieder so ein Punkt an dem mir klar wurde, dass ich mir, wie so oft empfohlen, feste Zeiten für meine Mediennutzung setzen möchte, um geistig klarer und mit weniger Ablenkung durch den Tag gehen zu können.
Sportliche Aktivitäten habe ich bereits seit längerer Zeit in meinen Alltag integriert und ich kann es nur empfehlen. Yoga, egal ob Aerial Yoga, Hatha oder Yin Yoga, praktiziere ich einfach unheimlich gerne. Ich merke, wie ich mich daran gewöhnt habe und für mich fehlt etwas, ich fühle mich generell unwohler und out of Balance, wenn ich kein Yoga praktiziere. Manchmal reichen da auch nur 5 Minuten, aber ich höre da ganz auf mein Bauchgefühl. Außerdem bietet sich für mich das Inlinern an, weil es fließende Bewegungen sind, die man mit seinem Atem in Einklang bringen kann. Aktuell ist das Nordic Inlinern sehr IN, wobei der Oberkörper stärker miteinbezogen wird. Eine Sportart, die man auch bis ins höhere Alter betreiben kann, bringt den gesamten Kreislauf auf Trab und hat ein geringes Verletzungsrisiko. Aber da sollte jeder auf das hören, was ihn anspricht. Es ist sinnvoll sich etwas zu suchen, was man auch in der Natur alleine in Ruhe machen kann. Fahrradfahren ist aktuell auch für viele eine Option, egal ob mit oder ohne Ebike. Für mich gilt: Wenn die Saison für Wassersport startet, werde ich auch regelmäßig SUP fahren, weil ich fließende und gleitende Bewegungen absolut liebe.
Ich brauche auch immer mal kleine Wellnesseinheiten, da sollte jeder entscheiden, was er da für sich braucht. Bei mir ist es wichtig: unkompliziert und einfach machbar, gerne auch mal, um angenehme oder erfrischende Düfte in sich aufzunehmen. Denn Geruchssinn und Stille ist für mich, wie ich herausgefunden habe eine wesentlich intensivere Erfahrung.
Trotzdem haben mir 3 Tage Schweigen und Stille ausgereicht. Werde ich noch einmal mehrere Tage in die Stille gehen? Möglicherweise noch intensiver meditieren? Letztendlich habe ich die Kommunikation vermisst und vor allem Musik. Ich bin mir nicht sicher. Ich werde es auf mich zukommen lassen. Aber ich bin mir sicher, dass ich mir bewusst ausgedehnte Stille- und Ruhephasen am Tag nehmen werde, um mir über den Moment im klaren zu sein und mehr in die Balance zu kommen. Den Fokus auf alle Sinne zu legen, das geht im Alltag und am PC oft unter. Manchmal vergisst man sogar, dass man einen Körper hat, wenn man komplett in der Arbeit drin ist und spürt die Verspannungen im Nacken und Schulterbereich nicht mehr. Ich finde es wunderbar Stille zu genießen. Ich bin da wesentlich produktiver, kreativer, gelassener, ruhiger und gesettelt. Ich bin achtsamer dadurch geworden und bin stärker im Hier und Jetzt verwurzelt. Ich konnte einfach in mich hineinhören: Was brauche ich jetzt wirklich? Auch das achtsame Essen und Trinken hilft mir, präsent zu sein und mehr in den Genuss zu komme. Ich bin schließlich auch dankbar für eine solche Möglichkeit. Es zu Hause zu versuchen, ohne Anleitung macht es nicht leicht, aber ist für mich möglich gewesen. Der Konsum von Social Media spielt eine große Rolle, weil die Reduktion oder der Verzicht für meine Präsenz und Balance ein wichtiger Faktor ist. Ständige Erreichbarkeit ist auch bei mir ein Stressor, den ich mir zur Zeit durch Corona wieder selbst auferlege, obwohl es nicht stets notwendig ist. Ein noch stärkeres Bewusstsein dafür zu entwickeln ist mir wichtig. Vielleicht konnte dir diese Folge Tipps und Ideen an die Hand geben, die auch dich im Alltag entschleunigen können. Abschließen möchte ich diese Podcastfolge mit einem Zitat des Buddha, weil es so wunderbar alles umfasst, was ich erlebt habe in meiner Stille:
“Nimm dir
jeden Tag die Zeit,
still zu sitzen
und auf die Dinge zu lauschen.
Achte auf die
Melodie
des Lebens,
welche in dir schwingt.”